Coronavirus in der Welt. Impfgegner fliehen nach Paraguay

  • Willkommen in Hohenau, einer kleinen paraguayischen Stadt mit 15.000 Einwohnern. Bewohner. Früher war es ein Paradies für Brasilianer deutscher Herkunft
  • Die Deutsche Botschaft in Paraguay ist vorsichtig, wenn es um neue deutsche Einwanderer geht. „Wir haben keine verlässlichen Daten über die Deutschen
  • Allerdings ist nur aus den Daten der Einwanderungsbehörde bekannt, dass sich plötzlich 1077 Deutsche in Paraguay niedergelassen haben
  • Neubürger werden mit kühnen Versprechungen in den sozialen Medien gelockt – auf Telegram oder Facebook. Paraguay soll ein Land sein, in dem niemand von der „Pandemiediktatur“ betroffen sein wird
  • Kundenjäger haben jedoch vergessen, das gerade in Paraguay erneuerte Pandemiegesetz Nr. 6699 zu erwähnen
  • Weitere Informationen finden Sie auf der Onet-Homepage

Im südamerikanischen Paradies scheint jetzt die Sonne. Bei einer Temperatur von 33 Grad Celsius glänzt der wolkenlose Himmel mit seinem Blau. Deutsche Metzger servieren einen leckeren Snack aus Würstchen, Sauerkraut und Brezeln, während zum Dessert ein deutscher Bäcker – gleich um die Ecke – eine echte Delikatesse in Form von traditionellen Krapfen anbietet. Die Tanzschule sowie das Colegio Paraguayo Germano – die Deutsche Schule für Kinder – sind nicht zu übersehen.

Willkommen in der paraguayischen Stadt Hohenau, die in der Vergangenheit ein Paradies für Brasilianer deutscher Herkunft war – sie ließen sich aufgrund des fruchtbaren Bodens bereits um 1900 hier nieder. Heute stellt sich dieser Ort heraus ein Paradies für Deutsche, die Nase voll von Coronavirus-Impfungen, Gesichtsmaskenpflicht … und flüchtlingsfeindlich. Hohenau, seit jeher stolz auf seine deutschen Wurzeln, hat sich zu einem Magneten für „Reichsbürger“, also Verschwörungstheoretiker und Impfgegner, entwickelt.

Nicht alle sind begeistert

Thomas Vinke hat die Nase voll von seinen neuen Nachbarn. Der gebürtige Rheinländer ist vor 17 Jahren nach Paraguay ausgewandert und seine Geschichte findet sich in jedem Lehrbuch der perfekten Integration. Jeden Samstag um 18.30 Uhr wird die Natursendung „Paraguay Salvaje“ oder „Wildes Paraguay“ auf Fernsehbildschirmen im ganzen Land ausgestrahlt. Dies ist ein Projekt, das Vinke mit seiner Frau Sabine erstellt hat. Ein paar deutsche Umweltschützer wurden sogar vom Senat des Kommunalparlaments für ihre beliebte TV-Serie ausgezeichnet.

In einem Telefongespräch mit der DW sagte Vinke, nach der Flüchtlingskrise 2015 seien Reichsbürger in Paraguay aufgetaucht, „extrem laute und aggressive Menschen“. Und jetzt kommen auch – betont er – viele Heilpraktiker, Heiler und rechte Impfgegner. – Wir sind Hassobjekte für diese Menschen, gerade wegen unserer Arbeit für den Umweltschutz – betont Vinke.

Vinke wird stark angegriffen, vor allem in den sozialen Medien, in Einwandererforen, in denen er manchmal Tipps gibt, die seinen Landsleuten nützlich sind. Der Umgang mit Menschen habe sich in den letzten Jahren massiv verändert, so die Ökologin. Antisemitismus, Rassismus und rechtsradikale Inhalte jetzt gehöre „guter Ton“ – er zählt auf. Wenn ein Ökologe klar macht, was er davon hält oder es wagt, Verschwörungstheorien lächerlich zu machen, folgen sofort Reaktionen. „Wir werden ständig bedroht“, sagt Vinke. – Eines Tages wollte jemand meinen „Mund“ mit Bauschaum besprühen – fügt sie hinzu.

Deutschland liegt in der Einwanderungsstatistik an dritter Stelle

Fragt man die deutsche Botschaft in der paraguayischen Hauptstadt Asunción nach neuen deutschen Einwanderern, ist die Antwort vorsichtig: „Wir haben keine verlässlichen Daten über Deutsche, die nach Paraguay ausgewandert sind.“ Nach Angaben der Ausländerbehörde wiederum ließen sich im vergangenen Jahr 1077 Deutsche in Paraguay nieder.

Der Rest des Textes unter dem Video

Deutschland ist nach den Brasilianern und Argentiniern die drittgrößte Einwanderergruppe mit steigender Tendenz. Inzwischen berichten lokale Medien über die Entwicklung der Lage, so berichtet „ABC“ über 30 deutsche Familien, die in Hohenau ihre neue Heimat gefunden haben.

In den sozialen Medien – auf Telegram oder Facebook – werden Neubürger mit kühnen Versprechungen gelockt, und manche alteingesessene Deutsche in Paraguay machen ihr wachsendes Interesse am Land zu ihrem Geschäftsmodell. „Grundstücke werden zu horrend überhöhten Preisen an neue Leute verkauft, und einheimische Paraguayer sagen, dass sie sich das Land nicht mehr leisten können“, berichtet Vinke. Eine einzigartige Attraktion ist, dass man in Paraguay zum Kauf eines Hauses nur einen Personalausweis und die nötigen Pfennige braucht.

Der angebliche Himmel der Freiheit gegen das Coronavirus

Das überzeugendste Argument für die Auswanderung ist jedoch das in Paraguay Deutschland kann zählen für absolute Freiheit vom Coronavirus. Das Leben dort sei wie ein „Neuanfang“ in einem Land, das „auf Eigenverantwortung Wert legt“ und sich angesichts einer Pandemie nicht in eine „Diktatur“ verwandelt hat, wie die Neuankömmlinge sagen, ein Ort in der alten Heimat.

Die Kundenjäger haben jedoch vergessen, das gerade in Paraguay erneuerte Pandemiegesetz Nummer 6699 zu erwähnen.

Es führt die Pflicht zum Tragen von Masken im Innenbereich sowie im Freien ein, wenn ein Abstand von 2 Metern nicht eingehalten werden kann. Auch bei Nichteinhaltung der Maskenpflicht sieht § 5 des Gesetzes drakonische Sanktionen vor. Dazu gehören eine Strafe von bis zu 30 Tagen gemeinnütziger Arbeit, eine hohe Geldstrafe und für Ladenbesitzer die anfängliche Schließung des Ladens für zehn Tage.

Paraguay wird von einer Pandemie hart getroffen

Auch die aktuelle Debatte in Paraguay um die Impfpflicht dürfte Neuankömmlinge aus Deutschland kaum ansprechen. Laut aktuellen Studien 71 Prozent. Paraguayer befürworten Impfungen, und das Gesundheitsministerium erwägt dies angesichts einer Bedrohung durch die dritte Welle. Über 16.000 Todesfälle durch das Coronavirus bei einer Bevölkerung von nur 7 Millionen Menschen haben bereits ihre Spuren hinterlassen.

Viele Paraguayer es würde sich jedoch freuen, wenn es überhaupt geimpft werden könnte. Nur 40 Prozent. Bevölkerung hat bisher zwei Dosen des Impfstoffs erhalten. Das Land verließ sich stark auf Impfstoffe im Rahmen der Covax-Initiative für Entwicklungsländer, aber die Impfstoffe kamen Wochen zu spät.

Länder außerhalb Südamerikas, darunter die USA und Indien, kamen zu Hilfe. Es ist ein eigentümliches Paradox, dass Deutsche, die sich nicht impfen lassen wollen, in ein Land ziehen, in dem die Bevölkerung dies gerne möchte, aber mangels Vorbereitung nicht kann.

„Die Deutschen, die jetzt hierhergekommen sind, werden nicht lange bleiben“, prophezeit Thomas Vinke. – Sie müssen in der Lage sein, das zu tun, was erforderlich ist. Denn wie wollen Sie hier als Heilpraktiker überleben? – fragt sich der Deutsche. Außerdem muss man, wie er behauptet, in einer guten finanziellen Lage sein. Er zitiert auch ein populäres paraguayisches Sprichwort: „Um eine Million Dollar zu verdienen, komm mit 2 Millionen her.“

Deutschland und Paraguay durch die Geschichte verbunden

In Paraguay scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Der Antisemit Bernhard Förster, Ehemann von Elisabeth Nietzsche, Schwester des Philosophen Friedrich Nietzsche, gründete 1886 in Paraguay die Siedlung „Nueva Germania“, die ein Refugium für die „arische Rasse“ in Südamerika werden sollte. Der Plan ging nicht ganz auf, Förster nahm sich drei Jahre später das Leben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen viele Nazis nach Paraguay, darunter der berühmteste Arzt des Konzentrationslagers Auschwitz, Josef Mengele. Er versteckte sich einige Zeit in Hohenau unter dem geänderten Namen José. Es ist diese dunkle gemeinsame Geschichte beider Länder, die Thomas Vinke dazu veranlasst, gegen die Neuankömmlinge vorzugehen. – Paraguay ist kein Nazi-Land, in dem alle jubeln. Der Nationalsozialismus ist ein deutsches Problem, und das gilt auch für die Verrückten, die jetzt hierher kommen. Und Paraguay habe noch viel mehr zu bieten, ergänzt der deutsche Ökologe.

Marten Eichel

"Fernsehliebhaber. Musik-Ninja. Amateur-Reisefanatiker. Speck-Fan. Freundlicher Essens-Evangelist. Freiberuflicher Organisator. Zertifizierter Twitter-Fanatiker."

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert