Von Bitcoin zu Data Unions. Kateřina Smejkalová über die Jihlava-Debatten über die digitale Zukunft

Das Inspiration Forum präsentiert traditionell Debatten, zusammengefasst an jedem Festivaltag unter einem übergreifenden Thema. In diesem Jahr ging es um psychische Gesundheit, das Thema Gleichberechtigung und damit Ungleichheit in der Gesellschaft, die digitale Zukunft der Menschheit und das Verhältnis des Menschen zur Natur.

Den Organisatoren gelang es durch gut funktionierende Videoanrufe, weltbekannte Namen zu gewinnen – in die USA kamen der Neurologe und Psychiater Bruce D. Perry, die Philosophin und Gendertheoretikerin Judith Butler und der Kulturökologe und Philosoph David Abram aus Großbritannien Der kanadische Theoretiker des digitalen Kapitalismus, Nick Srnicek.

Gleichzeitig hat das Inspiration Forum seinen Ruf als Diskussionsplattform zu Themen, die in Tschechien noch wenig Beachtung finden, aber auch von hoher Relevanz sind, einmal mehr erfüllt. Hier konnte sich das Festivalpublikum mit dem realen weltweiten Wissensstand einzelner Themen vertraut machen. Dies wurde in diesem Jahr beispielsweise beim Programmblock zur digitalen Zukunft deutlich.

Kryptowährungspotenzial

Das Thema Digitalisierung ist in unserem Land in den letzten Jahren zwar rückläufig, aber meist sehr eng gefasst. Zum Beispiel als Einführung von IT in die Kommunikation der Bürger mit der Landesverwaltung. Alternativ wird vor allem technokratisch behandelt, als ob die Antwort auf die Veränderungen des Arbeitsmarktes, die die technologische Innovation bald mit sich bringen wird, in erster Linie eine gute alte, recht unoriginelle, aber wahrscheinlich unzureichende Umschulung für die kommenden Herausforderungen ist.

Es ist symptomatisch, dass wir in Tschechien, anders als beispielsweise im Nachbarland Deutschland, grundsätzlich keine Theoretiker des digitalen Kapitalismus haben, der den breitesten Rahmen dieser „Digitalisierung“ bildet. Ganz zu schweigen von Politikern, die Experten auf diesem Gebiet wären, wie es üblich ist, sich auf andere Themen zu spezialisieren.

Der tägliche Block des Inspiration Forums namens Fair Play: über die digitale Zukunft er hätte uns darin inspirieren können, dass das Thema Digitalisierung nicht nur möglich ist, sondern auch viel grundsätzlicher angegangen werden muss, als es in unserem Land üblich ist. Insbesondere durch ausländische Gäste haben die Debatten nicht nur die notwendigen Spezialisierungen und Ansätze gezeigt, sondern auch den Mut, radikaler zu denken, entsprechend dem revolutionären Phänomen der digitalen Technik.

In einer Debatte namens Der Kampf um den digitalen Raum ein führender deutscher Experte für die politische Ökonomie des digitalen Kapitalismus und Autor einer Reihe erfolgreicher Bücher zu diesem Thema (z Die Hauptstadt sind wir) Timo Daum, Sozialanthropologe, spezialisiert auf Online-Identitäten und -Communities, Influenza und Geschlechterrollen in sozialen Netzwerken Marie Heřmanová und Wirtschaftsanthropologe Martin Tremčinský, Experte für Kryptowährungstechnologien und ihr Potenzial zur Schaffung alternativer sozialer Strukturen.

Marie Heřmanová

Foto: Petr Hloušek, Právo

In der breit angelegten Diskussion wurden eine Reihe inspirierender Thesen geäußert. Gesucht wurde der digitale Raum als solcher, aber auch die Möglichkeiten, die negativen Folgen der Profitlogik und Konsummotivation abzumildern, wobei er dafür auch Güter wie Authentizität, zwischenmenschliche Beziehungen oder Emotionen extrahiert.

Marie Heřmanová wies darauf hin, dass soziale Netzwerke entgegen den ursprünglichen Erwartungen der zwischenmenschlichen Kommunikation heute nicht mehr als einseitige Präsentation dienen und man nicht mehr vom digitalen Raum als etwas Getrenntes von der „realen“ Welt sprechen kann . Auf der einen Seite sind beide real und auf der anderen Seite sind sie bereits zu eng miteinander verbunden, auch wie reibungslos wir uns zwischen ihnen bewegen.

Martin Tremčinský stellte fest, dass Technologie BlockchainDie Kryptowährungen vom Typ Bitcoin werden für ihren Betrieb verwendet, obwohl sie theoretisch ein gewisses Potenzial für nützliche, gemeinschaftsbildende Transaktionen zwischen Menschen haben, und es ist denkbar, sie für lokale Währungen zu verwenden, aber bestehende digitale Währungen und die Art und Weise der Gemeinschaft um sie herum denkt an sie, diese Hoffnungen erfüllen sie auf keinen Fall. Er wies auch darauf hin, dass auf Dezentralisierung, das am häufigsten flektierte Versprechen im Zusammenhang mit blockchainem, ist es notwendig, es als ideologisches Konstrukt zu betrachten, das nicht unbedingt nur Vorteile bringt.

Timo Daum trug dann zur Debatte bei, indem er die These seines neuesten Buches skizzierte Unsichtbare Handplanung, dh dass die Sammlung und Auswertung digitaler Daten, deren Monetarisierung das Rückgrat des heutigen digitalen Kapitalismus bildet, auch ganz anderen Formen der wirtschaftlichen Organisation dienen könnte, um die heute chronisch bekannten Mängel des Marktes und des Geldwechsels an sich zu überwinden.

Befreien Sie sich von Erwerbsarbeit

Die folgende Diskussion heißt Kuchen ohne Arbeit mit dem kanadischen kritischen Sozialwissenschaftler Nick Srnick, unter anderem dem Autor des Buches Die Zukunft erfinden. Postkapitalismus und eine Welt ohne Arbeit (Czech MDA 2020), brachte nicht weniger mutige Ideen mit, wie das Unternehmen digitale Technologie nutzen könnte.

Srnicek gehört zur Bewegung der sogenannten Accelerators, also Intellektuellen, die sehen, dass wir mit der kommenden industriellen Revolution nicht nach Wegen suchen, die freigesetzten Arbeitskräfte in den transformierten Arbeitsmarkt zu reintegrieren, sondern durch Technologie die Erwerbsarbeit brauchen.

Entgegen der üblichen Vorstellung von der Lohnarbeit als etwas Zentralem menschlichen Lebens betrachtet Srnicek – wie andere Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens, das seine Vorstellung vom Postkapitalismus ergänzt – sie als Werkzeug, um den Menschen davon zu befreien, ihn daran zu hindern, sich an wirklich wichtigen und erfüllende Tätigkeiten. Zu ihnen zählt Srnicek hauptsächlich die gegenseitige Fürsorge und die Sorge um zwischenmenschliche Beziehungen.

Wie er in der Debatte auch betonte, hält er dieses Konzept für grundsätzlich links. Und das, obwohl es dem traditionellen sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Verständnis von Erwerbsarbeit widerspricht und zugleich der zentrale Begriff ist Freiheit, die die Rechte im tschechischen Kontext monopolisiert haben. Dies zeigt unter anderem, dass Freiheit in der westlichen Welt ein zentrales Element linker politischer Überzeugungen bleibt, in Form von Emanzipation und Freiheit, die erst durch die Erfüllung materieller Voraussetzungen ermöglicht wird.

Öffentliches Internet

In der Debatte Zähmung wilder Daten es ging dann um die Frage, ob und wie es möglich ist, die Erhebung und Auswertung von Daten zu kommerziellen Zwecken zu regeln bzw. zu regulieren, auf denen das aktuelle Internet und insbesondere die sogenannten digitalen Plattformen von Google über Uber bis Facebook stehen.

Im Einführungsinterview sprach Jeanette Hofmann, Techniksoziologin und Mitbegründerin und derzeitige Direktorin des Alexander von Humboldt-Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin. In der anschließenden Diskussion wurde sie vom Direktor der Demokratischen Akademie Masaryk und dem ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten und Kommissar Vladimír Špidla und der Rechtsanwältin Alžběta Krausová vom Institut für Staat und Recht der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik abgeordnet.

Vladimir Spidla

Foto: Jan Handrejch, Právo

Die Debatte drehte sich einerseits um die Möglichkeiten und Grenzen bestehender Gesetze wie der DSGVO oder der geplanten Maßnahmen auf europäischer Ebene und deren Vergleich mit ganz anderen Ansätzen in den USA. Jeanette Hofmann wies jedoch darauf hin, dass dies bestenfalls kleine Verbesserungen der Situation sind, die nichts an dem grundlegenden Problem des heutigen Internets ändern, nämlich dass sein zentrales Geschäftsmodell der Verkauf unserer Daten ist. Wenn wir wirkliche Veränderungen wollen, so Hofmann, müssen wir darüber nachdenken, das Prinzip selbst zu beseitigen – zum Beispiel durch die Umwandlung des Internets in eine öffentliche Form.

Sie erinnerte auch daran, dass die Datenerhebung und -auswertung nur bei einer kommerziellen Nutzung negative Auswirkungen habe, die dazu verleitet, möglichst viele, auch sensible Datennutzer anzuziehen, oder, wie wir in der Debatte um Facebook-Papiere, um sie störenden Inhalten auszusetzen, damit sie so lange wie möglich auf den Plattformen bleiben. Gleichzeitig kann die Auswertung digitaler Daten aber auch erhebliche Verbesserungen in der Qualität öffentlicher Dienstleistungen oder in der Wissenschaft ermöglichen. Wir benötigen daher, dass die Daten nicht mehr primär geschäftlich sind, sondern für eine Nutzung im öffentlichen Interesse zur Verfügung gestellt werden.

Alle Referenten haben sich interessante Neuerungen bei der Regulierung der Datennutzung einfallen lassen: Vladimír Špidla wies darauf hin, dass es den spanischen Gewerkschaften bereits gelungen sei, digitale Plattformen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu einem zugänglichen Algorithmus zu machen, der Arbeit teilt. Er schlug auch die Möglichkeit vor, Datenauswertungsalgorithmen so zu zertifizieren, wie beispielsweise Finanzprodukte zertifiziert werden.

Alžběta Krausová stellte die technische Lösung vor, an der sie arbeitet und die den Nutzern helfen soll, ihre Datenschutzrechte im Internet zu verteidigen, was derzeit nicht wirklich möglich ist. Das entwickelte Tool soll die Eingabe Ihrer Präferenzen ermöglichen, sofern das Programm selbst die Einhaltung seiner Wünsche bezüglich des Umgangs mit seinen Daten beim Surfen im Internet überwacht.

Kateřina Smejkalová (1986) ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet an der Friedrich-Ebert-Stiftung in Prag.

Foto: Jan Handrejch, Právo

Daher stellte Jeanette Hofmann die Möglichkeit in Aussicht, dass Datenschutzrechte nicht wie bisher einzeln und individuell, sondern kollektiv über einige „Datengewerkschaften“ ausgehandelt würden.

Die Debatten des diesjährigen Inspiration Forums werden nach und nach in Form eines Videos auf inspiracniforum.cz. Und das Versprechen der „Inspiration“ ist in diesem Fall nicht übertrieben.

Aldrich Vonnegut

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