Das ist einer der größten Widersprüche deutscher Außenpolitik seit vielen Jahren: Die Bundesrepublik ist einer der größten Rüstungsexporteure der Welt. Deutschland liegt derzeit auf Platz vier hinter den USA, Russland und Frankreich. Deutsche Waffenhersteller exportierten ihre Produkte zuletzt für fast neun Milliarden Euro vor allem nach Südkorea, Algerien und Ägypten.
Gleichzeitig besteht die Regierung, ob neue oder alte, darauf, keine Waffen in Konfliktregionen zu liefern. Auch jetzt, mit der zunehmend eskalierenden Krise an den ukrainischen Außengrenzen, wo das russische Säbelschütteln längst sein Maß geändert hat und die USA über die Möglichkeit eines russischen Angriffs auf die Ukraine in den kommenden Tagen sprechen. Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock setzen jedoch ausschließlich auf Diplomatie. Nach wochenlangem seltsamen Zögern starteten sie eine regelrechte Gesprächsoffensive, die in Scholz‘ Besuch in Kiew und dann in Moskau gipfelte.
Es gibt keine ernsthafte Debatte
Die Haltung Deutschlands, grundsätzlich keine Waffen in Kriegs- und Krisenregionen zu liefern, hat gute Gründe. Vor allem in einer Region, die vor Jahren unter der schrecklichen deutschen Besatzung gelitten hat. Die Gefahr, Konflikte mit immer mehr Waffen weiter anzuheizen, ist nicht zu unterschätzen. Und es stimmt auch, dass niemand schießen wird, solange die Konfliktparteien miteinander reden.
Das Problem ist vielmehr, dass es in Deutschland gerade in den Regierungsparteien keine wirklich ernsthafte Debatte darüber gibt, wann diese Position nicht mehr tragbar ist. Das hat damit zu tun, dass es in der Nachkriegsmentalität der Deutschen fest verankert ist, dass das Land nicht handelt, wenn die Dinge eine gefährliche Wendung nehmen. Jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr, von Afghanistan bis Mali, wurde und wird in Umfragen von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Daraus haben die Parteien längst gelernt. Deutschland macht gerne Geschäfte mit der ganzen Welt, auch Waffenhandel. Aber wenn es um Konflikte geht, halten sie an ihrer fast pazifistischen Haltung fest – auch wenn es in der Vergangenheit Ausnahmen gegeben hat.
Bei der SPD etwa reicht diese Haltung bis in die Anfänge der Entspannungspolitik von Bundeskanzler Willy Brandt zurück. Und für die Grünen hat sie ihre Wurzeln in der Friedensbewegung der 1970er und 1980er Jahre. In beiden Parteien sind jedoch seit langem Stimmen zu hören, dass eine solche Position nicht immer und überall aufrechterhalten werden kann. So wurde beispielsweise beim letzten Parteitag der Grünen um mehr militärische Unterstützung für die Ukraine gebeten. Die Mehrheit fand er jedoch nicht. Der jetzige Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich im vergangenen Wahlkampf der Kritik in den eigenen Reihen ausgesetzt, als er bei einem Besuch in den Kampfgebieten der Ostukraine die Lieferung von Abwehrwaffen forderte. Aber die Sache verebbte, wie es in Deutschland fast immer in dieser Frage der Fall ist. Eine der wenigen Ausnahmen war die deutsche Beteiligung am Krieg um den Kosovo auf dem Balkan vor mehr als 20 Jahren. Eine Entscheidung, die insbesondere die Grünen mit ihrem damaligen Außenminister Joschka Fischer spaltete.
Betrachten Sie jeden Fall einzeln
Jetzt ist eine ehrliche Debatte gefragt, welche Rolle Deutschland in der sich ständig verändernden geopolitischen Lage spielen will – auch militärisch. Es ist seit langem bekannt, dass sich beispielsweise die USA zunehmend der pazifischen Region zuwenden und darauf bestehen, dass Europa seine Konflikte selbst in die Hand nimmt. Auch wenn US-Präsident Joe Biden sich stärker auf Europa konzentriert als sein exzentrischer Vorgänger Donald Trump. Deutschland kann sich aber mittel- und langfristig nicht mehr darauf verlassen, dass die Amerikaner und möglicherweise Briten und Franzosen die Drecksarbeit für sie erledigen.
Das ist kein Aufruf, ohne Rücksicht auf die deutsche Geschichte „Ja“ zu sagen zu unbegrenzter Aufrüstung oder unbegrenzten Rüstungsexporten. Doch so glaubhaft die derzeitige Haltung der Regierung auch sein mag, im Fall der Ukraine gäbe es viele gute Argumente für das Gegenteil. Und das sind sie immer noch. Die Ukraine hat gerade eine große Anzahl deutscher Panzerabwehrraketen angefordert.
Der Appell lautet also: Seien wir ehrlich und entscheiden wir in jedem Konflikt neu – grundsätzlich immer mit Zurückhaltung. Andererseits sollten wir Rüstungsexporte endlich ernst nehmen und die Zahl der Rüstungsexportgenehmigungen deutlich reduzieren. Schon lange ist Zurückhaltung geboten – insbesondere gegenüber Ländern, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
„Professional communicator. Hipster-friendly creator. Gamer. Travel expert. Coffee connoisseur.“