Seine Augen sind blutunterlaufen, blau wird lila um sie herum, seine Nase ist noch ein bisschen schief: Jusuf Attalah, 37, aus Damaskus, Syrien. Er sitzt gerade an einem Tisch in einer Flüchtlingsunterkunft an der polnisch-weißrussischen Grenze. Der Ort soll unbekannt bleiben; eine Flüchtlingshilfe-Organisation hat zu viel Angst vor rassistischen Übergriffen und dass die Wut der Bewohner auf die Schutzsuchenden hier ausgeblasen wird.
Schlagen an der Grenze
In den letzten Monaten ist die Zahl der Menschen, die über Weißrussland nach Polen – und in die Nachbarländer Litauen und Lettland – kommen, stark gestiegen. Die EU wirft dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenka vor, gezielt Migranten aus dem Irak, Syrien und Afghanistan über Minsk an die Ostgrenze der EU zu schicken.
Jusuf Attalah behauptet, mit einem Taxi zur polnischen Grenze gebracht worden zu sein. In seinem Land Syrien wurde ihm gesagt, dass alles schnell und reibungslos gehen würde. Seine Wunden beweisen das Gegenteil. Er sagt, polnische Grenzsoldaten hätten ihn mehrmals auf die belarussische Seite geschickt. Aber es waren die Weißrussen, die ihn verletzten.
„Er hat mir ins Gesicht getreten, hat sich hier einen Knochen gebrochen“, sagt er und zeigt auf meine rechte Wange. – Er hat sich auch die Nase gebrochen, zwei Zähne ausgeschlagen, meine Rippen tun immer noch weh. Als er mich das erste Mal schlug, wurde ich für ein paar Minuten ohnmächtig. Und dann hat er mich wieder getreten, wie mir mein Freund später erzählte.
Ich fragte: „Wie bekomme ich ein Visum für Weißrussland?“
Thaer Rezk fand in derselben Unterkunft wie Jusuf Attalah Asyl. Ein 29-jähriger Syrer steht auf dem Hof und raucht eine Zigarette. Rezk ist Elektriker. In Syrien sah er keine Zukunft für sich. In dem vom Krieg verwüsteten Land sei alle Hoffnung verschwunden. Über Facebook und Freunde erfuhr er, dass er über Minsk nach Europa kommen könnte. – Ich habe ein Reisebüro in Damaskus gefragt: ‚Wie bekomme ich ein Visum für Weißrussland?‘ Und sie sagten mir, ich solle einfach zur belarussischen Botschaft gehen, erinnert sie sich.
Er erlebte auch Tritte und Schläge durch belarussische Grenzsoldaten. Wie Jusuf Attalah rechnet er nun mit Asyl in der EU. Das hoffen auch die Menschen, die noch auf der belarussischen Seite der Grenze festsitzen.
Die polnischen Behörden wollen sie nicht hereinlassen. Außerdem ist in Polen seit Oktober ein Gesetz in Kraft, das die Rückführung von Personen an der Grenze erlaubt, obwohl ein solcher Rückzug als . bezeichnet wird zurückschiebenwird von Menschenrechtsverteidigern und den Vereinten Nationen als Verletzung des Völkerrechts angesehen. Auch Hilfsorganisationen kritisieren diese Praxis stark, doch eine Sprecherin des Regionalverbandes des Grenzschutzes sieht die Sache anders.
– Polen muss seine Grenze schützen – sagt Katarzyna Zdanowicz im DW-Interview. – Belarus organisiert diese Reisen. Polen ist nicht das erste sichere Land, in das Menschen einreisen können. Sie kommen aus der Türkei oder aus anderen Ländern hierher – betont er.
In einer geschlossenen Zone
Für Journalisten und NGOs ist es schwierig zu überprüfen, was auf der polnischen Seite der Grenze wirklich passiert, weil die polnische Regierung entlang des Grenzstreifens eine Sperrzone eingerichtet hat. Jeder, der diese Zone betritt, muss mit einer Geld- oder sogar Gefängnisstrafe rechnen. Zufahrtsstraßen werden von Polizeipatrouillen und schwer bewaffneten Truppen bewacht.
Das Recht, den geschlossenen Bereich zu betreten, war fast ausschließlich auf Anwohner beschränkt. Eine von ihnen ist Joanna Łapińska, die direkt an der Grenze zu Weißrussland lebt. Seit Monaten widmet sie ihre ganze Freizeit der Hilfe für Migranten. Er versorgt sie mit Wasser, Essen und Decken. Denn sie könne nicht „einfach die Augen schließen“ vor dem, was direkt vor ihrer Tür passiert, sagt sie. Aber auch, weil es sonst keiner macht. Weder das Militär, noch die Polizei, noch die Regierung.
Chaos und eine Bedrohung für den Frieden
Wer die Grenze überquert, findet sich oft in der dicht bewaldeten Sperrzone wieder. Flüsse, Sümpfe, wilde Tiere wie Wölfe sind alle gefährlich. Aber noch gefährlicher sind Minustemperaturen, Essens- und Getränkemangel. In der Nacht zuvor war ein vierzehnjähriger Junge erfroren. Mindestens acht weitere Menschen wurden ebenfalls getötet.
– Wir brauchen hier medizinische und humanitäre Hilfe – sagt Łapińska. – Jetzt, sofort, aber auch langfristig. Wir können diese Leute nicht einfach in diesem Grenzgebiet lassen. Das schaffe Chaos in Europa und bedrohe den Frieden hier vor Ort, argumentiert er.
Es ist jedoch vorerst nicht zu erwarten, dass die polnische Regierung unabhängigen Beobachtern den Zugang zur Grenze ermöglicht. Journalisten haben keine Möglichkeit zu berichten, was dort wirklich vor sich geht.
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