Seit 2015 gilt in Deutschland ein nationaler Mindestlohn. Grüne, Liberale und Sozialdemokraten einigten sich bei Koalitionsgesprächen auf eine Erhöhung des Betrags. Der Vorschlag löst unter Experten Kontroversen aus. Seit der Einführung der ersten modernen Mindestlöhne Ende des 19. Jahrhunderts werden sie kontrovers diskutiert. Auf der ganzen Welt gibt es in den meisten Ländern Gesetze, die den niedrigsten Betrag vorschreiben, den Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern zahlen müssen, obwohl es immer viele Ausnahmen von den Regeln gibt. In Deutschland wurde die Maßnahme am 1. Januar 2015 unter der konservativen Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Bundesebene eingeführt, allerdings vor allem auf Druck ihres Koalitionspartners SPD. Der Mindestlohn ersetzte mehrere in verschiedenen Branchen ausgehandelte Löhne und wurde landesweit auf 8,50 Euro (BRL 55) brutto pro geleisteter Arbeitsstunde festgesetzt. Seitdem ist es langsam gestiegen. Ab Juli dieses Jahres stieg er um 10 Cent auf 9,60 Euro (BRL 62). Zwei weitere Erhöhungen sind bereits geplant. Bis Juli 2022 können Arbeitnehmer mit mindestens 10,45 € (BRL 67,5) pro Stunde rechnen. In Europa liegt Deutschlands Mindestlohn an der Spitze, nur übertroffen von Luxemburg und Frankreich. Mehrere Länder der Europäischen Union wie Dänemark, Italien, Österreich, Zypern, Finnland und Schweden haben keinen nationalen Mindestlohn. Sie verlassen sich immer noch auf Gewerkschaften und einzelne Sektoren, um ihre Gehälter selbst festzulegen. Welche Berufe gehören dazu? Der deutsche Mindestlohn gilt für die meisten Arbeitnehmer des Landes über 18 Jahren. Dazu gehören Saisonarbeiter, unabhängig von ihrer Herkunft. Aber wie an den meisten Orten gibt es einige Ausnahmen von der Regel. Auszubildende, Teilnehmer an Arbeitsförderungsprogrammen, Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach dem Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und Selbständige fallen nicht unter das Mindestlohngesetz. Arbeitnehmer im Transit im ganzen Land, wie Fluglinienpiloten und LKW-Fahrer, fallen ebenfalls nicht unter das Mindestlohngesetz. Der Ausgangswert des Mindestlohns wurde seinerzeit von der Regierung festgelegt. Danach übernahm eine winzige unabhängige Regierungsbehörde namens Minimum Wage Committee die Festsetzung des Satzes und die Durchführung von Anpassungen. Bei allen Entscheidungen muss das Gremium den Arbeitnehmerschutz, den fairen Wettbewerb und das Beschäftigungsniveau berücksichtigen. Politische Erwägungen müssen beiseite gelegt werden. Doch nun wird die Unabhängigkeit dieser Gruppe in Frage gestellt. Politisches Spiel Was den Mindestlohn wieder ins Rampenlicht gerückt hat, waren die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung, die am Donnerstag (21.10.) offiziell beginnen. Nach einer ersten Sondierungsphase werden nun ernsthafte Gespräche zwischen der SPD, den Grünen und der Liberaldemokratischen Partei (FDP) aufgenommen. Jetzt müssen sie sich auf einen Plan zur Herrschaft einigen. Ein Wahlversprechen von SPD und Grünen, das in Erfüllung gehen könnte, ist die Anhebung des Mindestlohns innerhalb eines Jahres auf 12 Euro (78 BRL) pro Stunde. Dies würde nicht nur die jahrelange Arbeit des Mindestlohnausschusses zerstören, sondern würde einfach die Extrameile gehen und seine Unabhängigkeit berauben. Ohne sich mit diesem Paradox zu beschäftigen, sagen die Parteien, dass die Kommission nach dieser einmaligen Erhöhung ihre Aufgabe wieder wahrnehmen kann. Diese plötzliche Politisierung hat Kritiker auf Kriegsfuß gestellt. Befürworter der Erhöhung argumentieren, dass der Mindestlohn zu niedrig ist und dass eine Anhebung ein Weg zur Bekämpfung der Armut ist; aber viele Experten sagen, dass es bessere Möglichkeiten gibt, dies zu tun. Diese Erhöhung würde auch die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die Kommission in naher Zukunft weiteren Erhöhungen zustimmt und sie stagniert. Umstrittenes Thema Als der Mindestlohn 2015 in Deutschland eingeführt wurde, befürchteten viele, dass höhere Löhne Unternehmen dazu zwingen würden, in Länder mit billigen Arbeitskräften abzuwandern oder Arbeiter durch Maschinen zu ersetzen. Einige Experten prognostizierten den Verlust von bis zu 900.000 Arbeitsplätzen. Aber das ist nicht passiert. Im Laufe der Jahre sind verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen über die Vor- und Nachteile eines verpflichtenden Mindestlohns gekommen. Einige fanden keine Korrelation zwischen der Beschäftigungsquote und dem Mindestlohn; andere stellten negative Auswirkungen fest, wie z. B. reduzierte Einstellungen oder kürzere Arbeitszeiten für Arbeitnehmer. Wieder andere behaupten, dass es einen direkten positiven Einfluss gibt. Zu den allgemein angeführten positiven Effekten zählen die Unterstützung geringqualifizierter Arbeitnehmer, mehr Einkommen zu erzielen, die Armut zu verringern, formelle Arbeitsplätze und mehr technologische Innovation zu fördern und die Mitarbeiterfluktuation zu verringern. Die vermeintlichen negativen Auswirkungen sind genau das Gegenteil. Ein Mindestlohn würde Unternehmen schaden, den Einsatz von Maschinen über Menschen fördern, zu weniger Arbeitsplätzen führen, Berufsanfängern erschweren und die Langzeitarbeitslosigkeit erhöhen, wenn Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden. Für Pessimisten ist die größte Bedrohung durch einen Mindestlohn eine Lohn-Preis-Spirale. Dies geschieht, wenn Unternehmen mehr für Arbeit bezahlen müssen, Arbeiter mehr Geld ausgeben können, was die Nachfrage und damit die Preise steigen lässt. Um diese Preiserhöhung auszugleichen, steigen die Löhne. Es ist ein Teufelskreis und am Ende zahlen alle mehr. Aber die Geschichte ist nicht überall gleich, und die Löhne sind nur ein Teil des größeren wirtschaftlichen Bildes. Die Ermittlung der tatsächlichen Auswirkungen von Mindestlöhnen wird Experten auf absehbare Zeit beschäftigen. Alle sind sich einig, dass die Arbeitnehmer von ihrem Einkommen leben können sollen. Was dies für die künftige Regierung bedeutet, wird in den kommenden Wochen stückchenweise in den Fokus rücken, da eine Regierungsplattform vereinbart wird. Autor: Timothy Rooks
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